Kapitel 6: Die Geburt der Novemberkonzerte

Was geschieht mit einem Chor, der das unglaubliche Privileg hatte, vor 1200 Zuschauern im ausverkauften Forum Schlosspark zu singen und zu spielen? Wie tief muss das Loch sein, in das man fällt, wenn man einen Höhepunkt wie „Bittersweet“ hatte? Und was kann man tun, um unbeschadet wieder heraus zu klettern?

Pizza essen.

Es ist längst zur guten Tradition geworden, dass die Sängerinnen und Sänger der Young Chorporation sich nach größeren Konzerten treffen, um miteinander zu feiern – und Pizza zu essen (wobei der Chor auch in kulinarischer Hinsicht inzwischen vielfältiger geworden ist).

Bei irgendeiner solchen Gelegenheit gebar der Chor eine neue Idee: die Novemberkonzerte in der Schule auf dem Laiern. Das erste fand 2004 statt – zum 10. Geburtstag des Chors. Und bereits das zweite sollte zu einer chorinternen Legende werden: Kings and Queens.

„Ich erinnere mich noch daran, dass ich damals ein Auto beim Landratsamt anmelden musste und mit mehreren Ausgaben des Goldenen Blatt im Warteraum saß, unter all den überwiegend männlichen Autohausmitarbeitern. Und dabei habe ich es nicht einmal freiwillig getan, sondern als Weiterbildungsmaßnahme. Wir sind heute noch stolz darauf, die Queen nebst Ehemann Philip, ihren Sohn Charles mit Camilla, sowie ihre beiden Enkel William und Harry für zwei Konzertabende in Kirchheim gewinnen zu können“, erzählt Denise Munz augenzwinkernd.

Tatsächlich staffierte die Sprecherin der Young Chorporation die Dirigentin des Chors, Teresa Schuh, mit einem Kostüm ihrer Oma so perfekt aus, dass in Kirchheim eine neue Queen geboren wurde. Sie ließ sie sich in eine Kutsche setzen und von zwei ziemlich albern aussehenden Bodyguards das ganze Konzert über bewachen.

Danach wurde es klassisch. Das dritte Novemberkonzert sollte das Magnifikat sein. In zwei Varianten, der klassischen Version von Johann Sebastian Bach und der modernen von John Rutter. Zusammen mit dem Kirchenchor in Lauffen und mit großem Orchester, aufgeführt in der Regiswindiskirche in Lauffen. Doch trotz dieses Ausflugs in die klassische Kirchenmusik musste sich die Young Chorporation immer wieder anhören, dass sie nur englisch singe. Das sollte sich ändern. Das Novemberkonzert 2007 stand unter dem vielsagenden Motto „Deutschstunde.“ In einem Klassenzimmer, umrahmt von Schillers Glocke fielen, unter der strengen Führung von Schullehrer Uli Sander, viele bedeutungsvolle Worte wie: Denn wo das Strenge mit dem Zarten, Wo Starkes sich und Mildes paarten, da gibt es einen guten Klang. Drum prüfe, wer sich ewig bindet, Ob sich das Herz zum Herzen findet! Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.

2008 mussten wir dann ernsthaft in uns gehen. Wir dachten: „Jetzt hen m’rscho alles g’macht: Pop, Rock, Klassik, Geistlich, Schlager, Kinderlieder, Musical... Was jetzt? Hm… Au ja! JAZZ! Abor wie geht des?“

Lauter krumme Töne und stressiges Rhythmen, die einfach nicht in Ohr und Blut wollen. Und das mit 40 müden Geistern um acht am Abend, bei Hitze oder Kälte, lahm von der Arbeit, nicht immer pünktlich und wahnsinnig verschwätzt. Aber mit dem Jazz hat es dann doch noch geklappt. Was man sich nie vorstellen konnte, geht dann irgendwann doch. Man hat diese unfassbaren Akkorde plötzlich doch im Ohr und wenn man die Synkopen, Triolen und vorgezogenen Achtel so hinbiegt, dass es ein schwäbisches Hirn verarbeiten kann, dann klappt’s irgendwann auch mit dem Rhythmus.

Im November 2008 war s dann so weit. „Wir hatten alles verarbeitet und haben mit Michael Spors und weiteren Musikern, unter anderem Götz Schwarzkopf und Sebastian Link, die für diesen Anlass wieder zu uns gestoßen sind, Jazz ‘n‘ Chor auf die Bühne gebracht. Dieses Mal war’s kleiner und feiner, mit Bistrotischen und ganz viel Atmosphäre“, erzählt Denise Munz. „Und bis heute gehört das Jazzprogramm zu den Highlights des Chores.“

Wenn die Young Chorporation am 11. und 12. Mai 2019 mit ihrem Jubiläumsprogramm „Es war einmal – das Märchen der Young Chorporation“ in der Kirchheimer Gemeindehalle auftritt, werden die 40 Sängerinnen und Sänger ein Lied aus den Novemberkonzerten dabei haben: „It’s raining men“. Eintrittskarten zum Preis von 12 Euro (8 Euro für Schüler und Studenten) gibt es im Dorfladen im Kirchheimer Ortszentrum, in der Obsthalle an der B27 zwischen Lauffen und Kirchheim sowie im Eine-Welt-Laden in Lauffen.