Kapitel 1: Ausverkauft im Sängerheim

Die Idee hatte sich schon länger in seinen Gedanken fest gefressen. Klaus-Peter Waldenberger wollte etwas Neues schaffen, einen Chor gründen, eine Gemeinschaft, in der sich junge Menschen treffen, um miteinander zu singen. Nur mit der Realisierung seines Gedankens tat sich der damalige Kirchheimer und heutige Lauffener Bürgermeister schwer. Es war eine langwierige Angelegenheit für den Schultes und seine Mitstreiter vom Arbeitskreis für Kunst und Kultur in Kirchheim (KuKuK), doch nach einem Jahr Vorlauf luden sie zur Gründungssingstunde eines so genannten „jungen Chores“ ins Sängerheim des Liederkranzes.

Es war der 21. April 1994, als sich gut hundert Menschen im Sängerheim des Liederkranzes trafen. „Ausverkauft“, hätte eigentlich an der Eingangstür des völlig überfüllten Raumes stehen müssen, und tatsächlich war (und ist) diese enorme Zahl bis heute unerklärlich, denn bereits der Ort des Geschehens war verdächtig. Waren es nicht jene Räume, in denen die Volksmusik ihre Heimat hatte? Und war es nicht eben jene Volksmusik, die ein junger Mensch am Ende des 20. Jahrhunderts notfalls zwar hörte, niemals aber selbst machen wollte? Chorgesang, allein die Vokabel hatte einen sonderbar staubigen Geschmack. Und doch setzte sich die Idee durch.

Andrea Deser hieß die Dirigentin, die merkwürdige Dinge mit einem anstellte. Man sollte sich einsingen, mit den Lippen übertriebene Vokale und Konsonanten formen und sich vorstellen, man sei innen hohl – wie eine Röhre, eine Klangröhre. Und dann hatte sie so ein albernes Lied dabei, ohne Namen, ohne Text, nur auf einzelne Silben gesungen: „Dubidubidubidubi...“ Bis zum Ende der Singstunde entstand ein Kanon aus diesem „Dubi“ – und die Erkenntnis: Singen macht Spaß.

Der Name Young Chorporation entstand im Herbst 1994, als der Chor sich zu einem Klausurwochenende nach Murrhardt zurückgezogen hatte. Dort stellten die  Sängerinnen und Sänger auch die Weichen für die Zukunft. Sie beschlossen, als eigenständiger Chor dem Gesangverein Liederkranz beizutreten. In den offiziellen Unterlagen des Gesangvereins wird die Young Chorporation am 24. November 1994 erstmals erwähnt. „Die erste Kontaktaufnahme mit Vertretern des ,Jungen Chores' fand im Sängerheim statt“, schrieb der damalige Schriftführer Helmut Gayer und erklärte den Unwissenden: „Aufgrund einer Initiative des ,Kukuk' haben sich 60 bis 70 Damen und Herren zu einem ,Jungen Chor' zusammen gefunden und sich für eine Mitgliedschaft im Liederkranz entschieden.“

Die  entscheidende Sitzung fand am 9. Dezember 1994 statt. Der Vorstand berief eine außerordentliche Mitgliederversammlung ein. Einziger Tagesordnungspunkt: Diskussion und Abstimmung über die Aufnahme des jungen Chores in den Liederkranz. Das Ergebnis: 51 Ja-Stimmen, zwei Enthaltungen, keine Gegenstimme. Der Protokollant notierte daraufhin: „Der Chor trägt den Namen Young Chorporation. Er bildet eine besondere Gemeinschaft (Abteilung) innerhalb des Vereins, er ist voll in das Vereinsleben integriert, die Sängerinnen und Sänger werden aktive Mitglieder des Liederkranzes. Im Ausschuss ist die Young Chorporation mit einem Sprecher und drei weiteren Mitgliedern vertreten. Als Chorleiterin wurde Frau Andrea Deser verpflichtet.“

Der Verwaltungsakt war damit vollzogen, der erste öffentliche Auftritt des neuen Chores fand wenige Tage später, am 14. Januar 1995, im Rahmen der Winterfeier statt. In den Aufzeichnungen des Schriftführers heißt es: „Die Winterfeier begann in der voll besetzten Gemeindehalle mit dem Männer- und dem Jugendchor. Danach trat erstmals die Young Chorporation mit einem deutschen und drei Liedern in englischer Sprache auf. Der hervorragende Vortrag wurde mit stürmischem Applaus bedacht. ,Wir sind froh, daß wir nun einen zweiten Chor bei uns haben. Der Männerchor setzt die Tradition unseres mittlerweile über 140 Jahre alten Vereins fort. Und der Young Chorporation gehört die Zukunft', sagte der 1. Vorstand Gerhard Munz an diesem Abend und bezeichnete den Auftritt des jungen Chores als einen ,historischen Augenblick' für den Verein.“

Wenn die Young Chorporation am 11. und 12. Mai 2019 mit ihrem Jubiläumsprogramm „Es war einmal – das Märchen der Young Chorporation“ in der Kirchheimer Gemeindehalle auftritt, werden die 40 Sängerinnen und Sänger auch ein Lied aus der Gründungszeit dabei haben: „Killing me softly“. Eintrittskarten zum Preis von 12 Euro (8 Euro für Schüler und Studenten) gibt es im Dorfladen im Kirchheimer Ortszentrum, in der Obsthalle an der B27 zwischen Lauffen und Kirchheim sowie im Eine-Welt-Laden in Lauffen.